GERLINDE ZANTIS

Texte

Harald Floss


Auszug aus der Rede vom 12.03.2017 im Zehntscheuer, Rottenburg

Gerlinde Zantis arbeitet vor allem in Südfrankreich, z.B. im Gard und der Ardèche, aber auch in Burgund und der Haute Saône, sämtlich Gebiete – und das ist wirklich ein unwahrscheinlicher Zufall – die meine eigenen archäologischen Arbeitsgebiete sind. Die Arbeiten von Zantis sind trotz ihrer malerischen Note keine Malereien, sondern Zeichnungen, sie zeichnet sozusagen Gemälde, die großformatigen Arbeiten sind Pastelle, einige kleinere sind auch mit Farbstiften realisiert. Nur zum Teil sind sie unter Museumsglas gerahmt, bei den meisten liegen die Pastelle frei und sind somit trotz einer gewissen Fixierung fragil und der Gefahr der Beschädigung ausgesetzt. Die Arbeiten sind nicht schwarz-weiß, sondern farbig angelegt. Auch das sieht man oft erst auf den zweiten Blick. Es sind auch keine fotorealistischen Bilder, auch wenn auch dies vielleicht erst so wirkt. Bilder knapp neben der Realität. Umso interessanter empfinde ich den Umstand, dass Gerlinde Zantis auch viele gemeinsame Projekte mit dem Fotographen Michael Dohle durchgeführt hat, der Fotos mit zum Verwechseln ähnlichen Themen ausstellt. Eine für mich zugegebenermaßen gewagte Kombination, die aber auch die Spezifizität der Arbeiten der Zeichnerin verdeutlichen kann. Gerlinde Zantis fertigt im Gelände Skizzen und Fotos an. Berühmt ist ein Bild, auf dem man sie auf dem Dach ihres Autos beim Skizieren sieht, wie eine Tierfilmerin, die von einem Hochsitz aus Vögel im Rhônedelta beobachten mag. Im Atelier werden die Bilder dann auf Basis der Geländebeobachtungen erstellt, aber die Zeichnungen folgen dann nur zum Teil den im Gelände aufgenommenen Details. Sie verändert; manches, seien es Bäume oder Fensterläden, wird weggelassen oder hinzugefügt, die Perspektiven werden übersteilt. Gerlinde Zantis zeichnet Landschaften, Wälder, ausgetrocknete Flussbette, dörfliche Weiler, alleinstehende Höfe, unspektakuläre, leere, zum Teil belanglos wirkende Landschaften. Sie erzählte mir, dass die reellen Bewohner ihrer südfranzösischen Dörfer ihr zu Hause zum Teil in den Bildern wiedererkennen, zum Teil aber auch mit Befremdung nicht. Zantis Landschaften erinnern zum Teil an ungute fahle, irgendwie surreale Architekturen eines Giorgio De Chirico. Sie schafft Bilder der Leere und der Stille. Ich selbst kenne diese südfranzösischen Landschaften sehr gut, die zunächst nach Lavendel und Feigen riechen und vordergründig viel zu schön sind, um kreativ sein zu können. Zantis gelingt es aber gerade hier, das Verborgene, vielleicht auch das Unheilvolle aus diesen Landschaften herauszukitzeln. Sie hat es in Andalusien versucht und dort hat es nicht geklappt, zu grell, zu plakativ, vielleicht auch zu klischeehaft die weißen Dörfer. In einem ehemaligen Ausstellungstext zu Zantis wurde geschrieben, dass diese Bilder nicht mit einer unbehaglich lauernden Stimmung aufgeladen seien. Das habe ich ehrlich gesagt anders empfunden. In diesem alten Text heißt es weiter „Die Wirkung der Bilder hat etwas von der Harmlosigkeit eines Polizeifotos, das sachlich einen gewöhnlichen Tatort dokumentiert, der nicht direkt Unbehagen erzeugt“. Aber spricht es nicht Bände, dass man mit den lieblichen Landschaften Südfrankreichs überhaupt Tatorte assoziiert? Ich tue das übrigens ganz ehrlich auch, ich arbeite oft in der Gegend, ich kenne genau diese Art von Motiven, schleiche bei der Suche nach geologischen Proben durch ausgetrocknete Flussbetten. Und wie oft ist es mir so gegangen, dort unter jeder Brücke und an jedem Abwasserrohr zu fürchten, auf das Verbrechen oder das Grauen zu stoßen. Heiße, viel zu heiße Sommer, in denen vieles passieren kann. Potentielle Tatorte, anything might happen there (Titel einem ehemaligen Ausstellungskatalog entnommen). Auch auf der Schwäbischen Alb geht mir dies übrigens manchmal so. Kahle, unwirtliche Dörfer, in denen man sich fragt, was sich hinter diesen Mauern wohl verbergen mag. Dörfer, die nicht zum Verweilen einladen und wo Herbergen für Reisende deshalb auch „Fremdenzimmer“ heißen.

So sind die Bilder von Gerlinde Zantis also letztlich innere Bilder, Sehnsüchte, die nach außen kippen. Ein Bildtitel von ihr lautete „nie da gewesen“. Ja, schützen muss man sich ja irgendwie auch.

© Harald Floss, harald.floss@uni-tuebingen.de

zurück zur Übersicht

E-Mail: info@gerlinde-zantis.de

ImpressumDatenschutz

© Gerlinde Zantis. Alle Rechte Vorbehalten.